Inhalt
Die Untersuchung, die Ulrike Malunat im Metallgewerbe der Proto-Industriellen Zone des Herzogtums Berg ansiedelt, thematisiert die Architektur und Volkskultur in den Solinger Hofschaften der Neuzeit.
Die Schneidwaren werden im Solinger Metallgewerbe bis ins 19. Jahrhundert arbeitsteilig hergestellt - die Produktionsstätten für Schmieden, Schleifen und Endmontage (Reiden) sind lokal gestreut. Die wasserkraftgetriebenen Schleifereien sind die Kerntechnologie der Produktion und binden das Metallgewerbe an die bergige Landschaft. Die Stauhöhe der einzelnen Schleifereien lässt zu Ende des 18. Jahrhunderts keinen Meter Gefälle mehr ungenutzt.
Die Schleifereien verteilen sich über 26 Bachläufe in der Solinger Landschaft. Geschmiedet und montiert wird in den Hofschaften, den Wohnplätzen mit 2 bis 10 Fachwerkhäusern und entsprechenden Wirtschaftsgebäuden. Fünf dieser Hofschaften am Lochbach erfasst die Autorin auf der Grundlage des Napoleonischen Katasters von 1801. Der Zustand der Wohngebäude erlaubt, die neuzeitlichen Gebäudetypen komplett zu ermitteln. Die Untersuchung zeigt als kulturellen Standard im 18. Jahrhundert ein zweigeschossiges Wohnhaus mit einem in vier Räume gegliederten Erdgeschoss. Der Giebel des Hauses zeigt die Merkmale einer bäuerlicher Nutzung.
Im Solinger Gebiet werden im Erbgang alle Güter in gleichen Teilen unter den Erbberechtigten aufgeteilt. Bedingt durch diese Erbteilungen findet man auch Wohnhäuser, die aktuell aufgeteilt oder nach der Erbteilung erweitert wurden. Dem Ganzen liegt eine Dynamik zugrunde, die uns erlaubt, die Volkskultur zu verstehen. Der zweigeschossige Standardtyp kann quer zum First in zwei sinnvolle Wohneinheiten aufgeteilt werden; diese Wohnraumsituation liegt damit unter den kulturell erstrebten Standard und wird in aller Regel durch einen im Fachwerkbau konstruktiv möglichen Anbau wieder auf das gewünschte Standardniveau gehoben.
Dieses Wechselspiel von Erbteilungen und kulturellen Wohnstandard wird in den mehrfach vorhandenen Gebäudekomplexen mit mehreren Aufteilungs- und Erweiterungsphasen deutlich.
Beispielhaft zeigt die Autorin dieses Wechselspiel am Gebäudekomplex Poschheide 17 - 22.
Aufmerksamkeit verdient dabei die Giebeldrehung in der zweiten Ausbauphase. Nur durch diese Drehung um 90 Grad kann der Bauherr sicherstellen, dass die gewünschte Lagerfunktionen für Futter und Nahrungsmittel im Dach erhalten bleiben.
In der Landschaft spiegelt sich dieses bäuerliche Ideal der Selbstversorgung, die man im Giebel der Wohnhäuser erkennt, wider. Jede Hofschaft im Solinger Gebiet hat ausgedehnte Gartenflächen und wird intensiv bewirtschaftet - die Kartoffel aus Übersee ist hier schon früh bekannt und angebaut worden.
Diese Zweigleisigkeit von gewerblicher Tätigkeit und bäuerlicher Subsistenzwirtschaft erkennt man schon in der Aufbauphase der Proto-Industrialisierung im 16. Jahrhundert anhand der parallel einsetzenden Rodungen.
Rezensionen
- von Hans Georg Kraume (1994) in: Duisburger Forschungen. Schriftenreihe für Geschichte und Heimatkunde Duisburgs, Jg. 41, H. 1.
- von Gunter Patzwahl (1991) in: Düsseldorfer Jahrbuch. Beträge zur Geschichte des Niederrheines, Jg. 63, H. 1.
- von Manfred Krause (1991) in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Jg. 94, H. 1.